In seinem Interesse für politische und historische Schweizer Literatur hat Rémy Charbon Zschokke schon früh entdeckt. 1977 gab er in der Reihe «Schweizer Texte» die Autobiografie «Eine Selbstschau» neu heraus, die zu einer Wiederentdeckung Zschokkes führte. Zusammen mit Robert Hinderling baute er in den 1990er Jahren die Zschokke-Briefforschungsstelle in Bayreuth auf. Er warb mich zur Erarbeitung einer kommentierten Ausgabe des Zschokke-Briefwechsels mit seinem Verleger Sauerländer an, die 2001 erschien. Es war für ihn selbstverständlich, dass er 2000 Gründungsmitglied unseres Vereins wurde. Als Germanist war er an den Universitäten Genf und Freiburg tätig und sass in verschiedenen germanistischen Gremien, engagierte sich auch für die Ausbildung der Germanistinnen und Germanisten. Seiner Feder entsprangen zahlreiche literaturwissenschaftliche Artikel, Aufsätze und Editionen, vor allem auch über verkannte oder vergessene Schweizer Autoren.
2013 gab er Zschokkes «Der Freihof von Aarau» neu heraus und setzte sich in den Jahren zuvor lebhaft für das Entstehen unserer Zschokke-Biografie ein. Gerne erinnere ich mich daran, wie wir am 6. Juni 2013 zusammen in einem Gartenrestaurant in Aarau sassen und unsere beiden neusten Werke austauschte. Seine Widmung lautete, vielleicht etwas schmunzelnd, weil er ja mein Lehrer und Förderer und der sechs Jahre Ältere war: «Für Werner, den Alt- und Grossmeister der Zschokke-Forschung, herzlich Rémy».
Kurz danach und mitten im aktiven Schaffen ereilte ihn ein Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Die letzten Jahre lebte er in der Wohnung seiner verstorbenen Mutter an der Limmattalstrasse 314 in Höngg, wo er am 11. August starb. Er blieb unverheiratet und hinterlässt keine Kinder oder nähere Verwandte. Seine Abdankung findet am 29. August um 14 Uhr in der Friedhofskapelle Hönggerberg statt.
Werner Ort
Die Heinrich-Zschokke-Gesellschaft hat Rémy Charbon viel zu verdanken und wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.